2010-05 Ein langes Wochenende in Schwerin
Pst, wir machen rüber! — vom 12. bis zum 15. Mai 2010
Schwerin? Ist das nicht irgendwo drüben? Genau, es ist die Landeshauptstadt von Mecklenburg Vorpommern und nur eine gute Autostunde von Hamburg entfernt. Und da es dort bestimmt vieles zu Gucken gibt, fahren wir doch einfach mal hin und verbringen ein erlebnisreiches Wochenende im Osten. Zum ersten, aber bestimmt nicht zum letzen Mal!
Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
(Goethe)
Mit anderen Worten: Man war schon überall, nur vor seiner eigenen Haustür nicht. Und so beschließen wir, ein langes Wochenende in Schwerin zu verbringen, der Landeshauptstadt von Mecklenburg Vorpommern. Im Hinterkopf das Ziel, vielleicht auch mal die restlichen Landeshauptstädte zu besuchen.
Die Fahrt von Hamburg aus dauert mit 90 Minuten auch nicht so wahnsinnig lang. Drüben sind die Autobahnen ja ganz fantastisch! Was man von den Landstraßen jedoch nicht immer behaupten kann. In jedem Falle versüßt uns das Inselradio aber die Fahrt dorthin.
Im Übrigen werden wir im Laufe der Reise erfahren, dass es Meeklenburg ausgesprochen wird. Also mit langem „e“, da das c vom ck erst später dazu gekommen ist und ein sogenanntes Schmuck-c ist!
Wir haben über das Internet das Intercity Hotel am Schweriner Bahnhof gebucht. Das Ausschlaggebende Kriterium war: Internet kostenlos. Der naive Beobachter denkt nun: Oh, Internet inklusive während des Aufenthalts. Pustekuchen. Denn es ist nur 1 Stunde kostenlos, was nicht mal im Kleingedruckten der Reservierung steht.
Die Dame an der Rezeption zeigt sich sehr leidenschaftslos und wenig bestrebt, auf diese Diskrepanz auch nur einzugehen. So ersaufen wir unseren Kummer mit Rotkäppchen Sekt. Der war im Preis mit drin. Eine Flasche übrigens, nicht „Sekt inllusive“.
Den gesamten Donnerstag verbringen wir in der Saunalandschaft Belasso. Eine schöne Anlage in einem Industriegebiet. Mit dem Bus in ca 15 Minuten erreichbar. Es werden eine ganze Reihe verschiedene Saunen angeboten, sowie auch ein Wellness-Bereich, wo wir auch Anwendungen gebucht haben. Die Anlage scheint geradezu verlassen zu sein. Zu Hochzeiten tummeln sich etwa 20 Leute im gesamten Bereich und die Einheimischen sagen, es sei voll — die waren wohl noch nie in Damp! Dafür wird aber kräftig am Personal gespart: 2 Personen gibt es für die Gesamte Anlage. Die machen die Bar, servieren das Essen, machen die Massagen und alle 30 Minuten einen Aufguss! Da weiß man, was man am Abend getan hat.
Wir wollen abends noch etwas Essen gehen. Am Bahnhof findet sich bestimmt noch etwas. Der liegt ja nur einen Steinwurf vom Hotel entfernt. Aber Pustekuchen. Hier in der Landeshauptstadt Schwerin werden abends um 20 Uhr die Bürgersteige hoch geklappt und die Lichter aus gemacht. Sogar der Mc Donalds im Bahnhof hat geschlossen! Abends am Wochenende scheint für Restaurants nicht unbedingt die einkommensstärkste Zeit ist.
Der Freitag steht voll und ganz im Zeichen des Shoppens und Bummelns durch die Innenstadt. Erste Anlaufstelle ist dabei das Einkaufszentrum. Erstens kann man hier dem Nieselwetter entfliehen und zweitens schlägt man viele Geschäfte mit einer Klappe. Ein netter Springbrunnen in der Mitte lädt zum Verweilen und auf ein Eis ein. An sonsten kann man vom Ost-West-Preisgefälle hier leider nicht viel bemerken.
Wir entscheiden uns zu etwas, was man zu Hause hätte schon lange haben können, aber dann doch nie gemacht hat: In Hannover hatten wir den Maschsee, aber nie ne Bootsfahrt darauf gemacht. Also fahren wir in Schwerin über die dortigen Seen. Eine echt nette Tour. Die Schulklasse hat auch nicht weiter gestört. Die war oben auf Deck. Dennoch war es unter Deck so laut, dass man leider die vermutlich interessanten Durchsagen zu Land, Leute und Geschichte nicht verstanden hat.
Daher entschädigen wir uns aber selber mit Kaffee und Kuchen. Der wiederum war zwar teuer, aber gut. Und man hat auch fast nicht gemerkt, dass er noch ein kleines Bisschen tiefgefroren war!
Wir ziehen weiter durch die Altstadt. Durch kleine schmale und niedrige Gassen landen wir schließlich bei einer Kaffeerösterei, wo wir uns durch deren Espresso-Programm probieren und auch selbst gerösteten Kaffee mitnehmen. Und so ganz nebenbei können wir auch beim Rösten zuschauen!
Und dann der Höhepunkt: Der frisch geröstete Kaffee wird aus dem Röst-o-Maten geholt. Der naive Leser erwartet nun eine nicht enden wollende Beschreibung welch überwältigender Kaffee-Duft durch die Lüfte wabert. Aber die Realität riecht ganz anders: Nämlich gar nicht! Erstaunlich, ernüchternd, aber wahr Frown.gif
Bei unserem weiteren Streifzug durch die Stadt stellen wir fest, dass Wohl und Wehe sehr dicht bei einander liegen. An einer Stelle wird gebaut, alles ist neu, glänzend und tiptop in Ordnung. Und eine Straßenecke weiter meint man, man sei noch in der DDR. Alles ist verfallen, alt und dreckig.
Dort entdecken wir auch eine kleine Eckkneipe. Das Benno B. Der Besitzer schaut übrigens wirklich so aus, wie auf der Siluette des Ladens. Dieser Laden hat auch so eine Besonderheit, die man eher aus dem Kölner Raum kennt: Man bekommt so lange ein neues Bier, bis man den Deckel aufs Glas legt. Man muss das nur wissen…
Tags darauf, leider ist das Wetter nicht so der Brüller, werden wir von Pauken und Trompeten geweckt. Vor dem Hotel auf dem Bahnhofsvorplatz musiziert ein Spielmannszug. Die schauen auch nicht besonders glücklich aus, aber sie stapfen selbstbewusst durch den Regen davon, begleitet von einer Hand voll Zuschauer.
Wir vertreiben uns den Vormittag mit etwas spazieren gehen durch die Altstadt, was wir die Tage zuvor nicht geschafft hatten. Am Mittag erwartet uns nämlich eine Führung durch das schweriner Schloss bzw. durch den Schweriner Landtag der etwas anderen Art…
Los geht es mit etwas klassischem. Hier der Innenhof, die Kirche mit dem blauen Sternenhimmel. Dort der steinerne Reiter (man möge mir verzeihen, ich hab vergessen, wer es war) und der Blick auf die Zufahrt. Wir sind schon etwas enttäuscht, weil es doch ne normale Führung zu sein scheint. Aber es wird besser:
Wir betreten den Sitzungssaal des Landtages (sehr langweilige Inneneinrichtung), sehen Sitzungsräume der Fraktionen mit antiken Tischen mit Glaseinsatz und bestaunen die Rausch-Anlage, die die Türen gegen Lauscher absichert. Ganz nach unserem Technik-Geschmack!
Und dann gehts hoch hinaus. Wir steigen dem Landtag und dem schweriner Schloss aufs Dach. Genauer gesagt auf zwei Türme hinauf. Durchaus eng atemberaubend, dieser Aufstieg. Alte Holztreppen oder dünne Guss-Wendeltreppen. Der Holzwurm begleitet uns bis ganz hinauf. Oben haben dann mitunter nur eine Hand voll Leute platz, so dass wir in Schichten hoch und wieder runter müssen. Nebenbei muss man auch noch aufpassen, wohin man tritt, denn die Wege dort hin sind teilweise nicht aufgeräumt und alles andere als breite Touristen-Pfade.
Kurz: Spannend und genau nach unserem Geschmack!
Ganz oben schauen wir uns noch kurz das Urwerk an und rätseln, was denn ein leerer Sarg auf dem Dachboden zu suchen hat, bevor es hinunter in die Katakomben geht. Dort ist es noch unaufgeräumter, als oben auf dem Dach. Aber die schon etwas betagtere Führerin meinte, dass es im Vergleich zu letztem Jahr schon sehr viel besser geworden ist. Egal, uns gefällt es jedenfalls, in solch einer Baustelle herum zu turnen und in Ecken zu schauen, die man sonst nicht zu sehen bekommt.
Und mit diesen Eindrücken verlassen wir Schwerin und machen uns wieder auf den Heimweg nach Hamburg mit dem festen Vorsatz im Gepäck, die restlichen Landeshauptstädte Hüben wir Drüben ebenfalls noch abzuklappern…